Von Ver­schwö­run­gen und Medien­märchen

WIE EINE GRUPPE VON WISSENSCHAFTERN RUND UM PETER DASZAK EINE MEDIALE VERSCHWÖRUNG LOSTRAT UND WAS DAS MIT DEM CHINESISCHEN SOCIAL CREDIT SYSTEM ZU TUN HAT. EIN ERKLÄRUNGSVERSUCH VON MARTINA STRUL

 

“Medical science has made such tremendous progress that there is hardly a healthy human left.” Aldous Huxley

 

Ich bin keine Virologin, darum hüte ich mich davor, mit Zahlen zu jonglieren. Auch weil die zahlenbasierte Auseinandersetzung in den vergangenen zwei Jahren zum Volkssport verkommen ist und mit ihm fälschlicherweise das Selbstverständnis Einzug erhielt, dass jeder auch ein Corona-Experte ist. Mein Expertengebiet sind die Medien. Nachdem mir Ende der 90er-Jahre das Buch Medienmärchen. Gesinnungstäter im Journalismus von Burkhard Müller-Ullrich in die Hände geriet, war für mich klar, dass ich Publizistikwissenschaft studiere. Nicht, weil ich die Medienwelt bewunderte, vielmehr, weil ich die Mechanismen kennen wollte, die unsere Meinungsbildung beeinflussen.

Wenig später erhielt ich meine erste Redaktionsstelle beim Schweizer Fernsehen, bei der ich rasch merkte, dass der an der Uni proklamierte, hochwertige Journalismus unter den Produktionszwängen des Fernsehalltags zum Scheitern verurteilt war. Anstelle journalistischer Ausgewogenheit, flackern bis heute Inhalte über den Sender, die vor allem ein Ziel haben, den Zuschauer emotional zu berühren. Um dies zu erreichen, schöpft man beim Fernsehen mit diversen Stilmitteln aus dem Vollen: Ob mit Slow-Motions, Zoom-Ins oder mit gezielter, musikalischer Untermalung, die Mittel, die den Zweck der Unterhaltung im Desinformationszeitalter heiligen, sind beim Medium Fernsehen scheinbar grenzenlos. Dementsprechend auch die inhaltliche Verzerrung, nur interessiert das niemanden, wenn die Emotionen stimmen.

Heute weiss ich, dass ich während meiner zwanzigjährigen Arbeit als TV-Schaffende im Unterhaltungsbereich auch zur Gesinnungstäterin wurde. Zu oft habe ich mich diversen Effekten bedient, um meine Geschichte noch berührender erzählen. Zu oft habe ich genau diejenigen Fragen gestellt, bei denen ich wusste, dass die Tränen fliessen würden. Zu oft hat mein journalistisches Ego es zugelassen, Ereignisse nach meinem Gutdünken zu dramatisieren oder zu beschönigen. Diese Entfremdung von der Realität nennt man auch Manipulation. Ich bin nicht stolz auf meine journalistischen Verbrechen, habe aber die Konsequenz daraus gezogen und mich vor acht Jahren aus dem TV-Geschäft zurückgezogen.

Zuzugeben, dass im hiesigen Nachrichtengeschäft während der Krise vieles schief gelaufen ist, kommt leider in der Schweizer Medienlandschaft zu selten vor, so wie es die Zeitung EKSTRA BLADET getan hat. Das dänische Boulevardblatt entschuldigte sich bei seinen Lesern und räumte unter anderem ein, dass die von ihm verbreitete Zahl der Covid-Patienten in Krankenhäusern um 27 Prozent höher war, als in Wirklichkeit. Im Interview mit der WELT gesteht der verantwortliche Redaktionsleiter Knud Brix zudem, dass er die von der Regierung kommunizierten Zahlen hätte verifizieren müssen.

Die mediale Überwachungsfunktion, auch die vierte Gewalt genannt, welche in einer gesunden Demokratie die Legislative, Exekutive und Judikative kritisch beleuchtet, ist dem Ausnahmezustand der Krise zum Opfer gefallen. Dass die meisten Massenmedien seit Ausbruch der Pandemie ihre Gatekeeperfunktion missbrauchen und anstelle einer ausgewogenen Berichterstattung den Weg gewählt haben, kritische Stimmen von Beginn weg auszumerzen, während dasselbe Strickmuster von Geschichten in der Endlosschlaufe wiederholt wurde: Massnahmengegner, die an Corona sterben, weil sie sich nicht impfen lassen wollten.

 

“In a time of deceit telling the truth is a revolutionary act.” George Orwell

 

Wie eine kürzlich veröffentlichte Email des Ringier-CEOs an alle grossen Schweizer Medienhäuser beweist, hat Marc Walder seit Versenden seiner Zeilen am 20. März 2020 die journalistische Haltung in der Krise hierzulande von Beginn weg massgeblich beeinflusst. Doch anders als in Dänemark, erwartet man in der anfangs Jahr veröffentlichten Stellungnahme der BLICK-Chefredaktion auf die Kritik an der journalistischen Unabhängigkeit vergebens eine Entschuldigung. Vielmehr erscheint die Stellungnahme als verzweifelter Versuch der Rechtfertigung:

(…)“BLICK wird gerne vorgeworfen, Dinge zuzuspitzen, auch mal zu übertreiben. In der Pandemie tun wir das Gegenteil davon: Die Wirklichkeit ist dramatisch genug, hier wollen wir möglichst sachlich informieren, Tatsachen liefern statt Mutmassungen, weder verharmlosen noch Panik schüren. Wir wollen die aufgeheizte Stimmung nicht noch mehr aufheizen.” (…) BLICK-Chefredaktion, 6. Januar 2022

 

Doch das grösste Medienmärchen, das Schreibtischtäter auf der ganzen Welt ins Leben riefen, ist die redaktionelle Befeuerung des Narrativs, dass Impfstoffreie partout Egoisten, Wissenschaftsfeinde, Rechtsextreme, Esoteriker und allen voran Verschwörungstheoretiker sind, die sich unsolidarisch verhalten, weil sie die Spritze verweigern. Solche redaktionell geschürten “Solidaritätsappelle” sind nicht neu, Burkhard Müller-Ullrich widmete dieser Sorte von Journalisten in seinem Buch Medienmärchen bereits in den 90er-Jahren ein ganzes Kapitel namens Solidaritäter. Das sind diejenigen Gesinnungstäter, welche ihre moralische Entgleisungen unter dem Deckmantel der Solidarität tarnen oder redaktionell beschönigen.

Im Falle der Pandemie haben es die schreibenden Solidaritäter geschafft, die Welt in zwei Lager zu spalten. Durch die endlos wirkende Repetition des Narrativs, dass Impfkritiker allesamt Verschwörungstheoretiker seien, wurde nicht nur eine Verleumdungskultur heraufbeschworen, journalistische Perlen – wie bspw. der Artikel von Paul D. Thacker – wurden den Lesern vorenthalten oder gingen schlichtweg in der Hitze der Hetze unter. Dabei wären gehaltvolle Recherchen wie diese in einer Zeit – in der Fake News und Propaganda in einer teuflischen Spirale des Nonsense das Nachrichtengeschäft vergiften – wichtiger denn je: Der am 8. Juli 2021 unter dem Titel The covid-19 lab leak hypothesis: did the media fall victim to a misinformation campaign erschienene Artikel im renommierten Wissenschaftsmagazin BMJ betrachtet die Ursprünge der Pandemie von einem anderen Standpunkt als die gängigen Massenmedien.

Thacker – der investigative Journalist aus den USA – enthüllt gut dokumentierte Details darüber, wie eine Gruppe von Wissenschaftern rund um den britischen Zoologen Peter Daszak dazu aufgerufen hat, all jene als Verschwörungstheoriker abzustempeln, welche behaupten, dass das Virus aus einem Labor im chinesischen Wuhan stamme. Lässt man sich auf die Beweislage des Amerikaners ein, so erscheint nicht nur die Lab-Leak-Theorie aus Wuhan plausibel, auch die Hetze gegenüber kritisch Denkenden wäre durch die Machenschaften von Daszaks Gefolge – dem auch Christian Drosten angehört – ein Stück weit erklärt.

 

„The propagandist’s purpose is to make one set of people forget that certain other sets of people are human.“ Aldous Huxley

 

Angenommen die wahre Verschwörung geht tatsächlich von einer Gruppe Wissenschaftern aus, um den Laborunfall in Wuhan zu vertuschen und die Tatsache, dass Gain-Of-Function-Forschung überhaupt betrieben wird, dann drängen sich eine ganze Reihe von Fragen auf: Wer hat welches Interesse an einer inszenierten Pandemie und zu welchem Zweck? Wofür hat das NIH (U.S. National Institutes of Health) 3.7 Millionen US Dollars an Daszaks Organisation EcoHealth Alliance bezahlt und welche Rolle spielt die WHO in der ganzen Geschichte? Wer finanziert Gain-of-Function-Forschung und wieso? Bei der Gain-Of-Function-Forschung werden Viren aus der Zoologie manipuliert, so dass sie für den Menschen gefährlich werden.

Und auf die Medienwelt bezogen, stellen sich ebenfalls dringende Fragen: Wie konnte ein Heer von Journalisten auf der ganzen Welt der Verschwörung bezüglich Verschwörungstheoretikern auf den Leim gehen? Liegt es denn nicht in der Natur der Wissenschaft, dass es selbst innerhalb der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen verschiedene Denkschulen gibt und dementsprechend auch immer Experten mit anderer Meinung? Wenn der Impfstoff das propagierte Wundermittel wäre, würde er dann nicht auch den Fragen der kritischen Virologen standhalten, wie das im wissenschaftlichen Alltag usus ist?

Oder im Kontext des Laborunfalles in Wuhan: Wäre eine P(l)andemie nicht der perfekte Vorwand – mithilfe einer digitalen ID und dank einer durch den Ausnahmezustand gerechtfertigten Verletzung der Privatssphäre – chinaähnliche Verhältnisse im Abendland zu etablieren?

Denn just zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie hat China sein Social Credit System eingeführt, ein neues Gesellschaftssystem, das mittels Gesichtserkennung und anderen technologischen Glanzleistungen das Leben der Bevölkerung permanent überwacht und seit anfangs 2020 mit Punkten bewertet. Dieses Phänomen nennt sich social scoring: Während Bürger mit hohem Score einfacher Kredite und Reisevisen bekommen, erhalten sie ebenso leichter Zugang zu Fünf-Sterne-Hotels und Restaurants. Ihre Kinder besuchen bessere Schulen als jene von Eltern mit tiefem Punktestand. Je nachdem, ob man raucht, bei Rot die Strasse überquert, Video-Spiele kauft oder etwas Regierungskritisches postet, ist der Punkteabzug verheerender. Wer hingegen Elektronik-Produkte heimischer Herkunft kauft, seine pensionierten Eltern regelmässig besucht und sich auch sonst stets regierungshörig verhält, macht Punkte wett.

Vor der Pandemie war die Empörung auf den chinesischen Citizen Score auch im Westen gross: Der GUARDIAN nannte es  orwellian tool of mass surveillance”, die NEW YORK TIMES a dystopian dream”, während die NZZ in ihrem Kommentar vom 23.1. 2020 im Titel folgende Warnung aussprach: “Der Westen braucht rasch eine Antwort auf Chinas Neuerfindung der Diktatur.” In altbekannter Manier hat das Abendland dieses willkürliche Bürgerbelohnungssystem zu Recht als diktatorische Allmachtsphantasie der Kommunistischen Partei Chinas verurteilt und gleichzeitig die demokratischen Werte und das Recht auf den freien Willen journalistisch hochgehalten.

Doch zwei Jahre Pandemie haben gereicht, dass wir nun auch im Westen soweit sind, dass Bürger aufgrund ihres Impfstatus’ belohnt oder bestraft werden. Was wir hierzulande in den vergangenen Monaten erlebt haben, ist eine Light-Version dessen, was sich Parteivorsitzende Xi Jinping für die ganze Welt wünscht: Ein global umspannendes Überwachungssystem mit dem gläsernen Bürger als Hauptdarsteller in einer technologisch-orchestrierbaren, neuen Welt.

 

“There will be, in the next generation or so, a pharmacological method of making people love their servitude, and producing dictatorship without tears, so to speak, producing a kind of painless concentration camp for entire societies, so that people will in fact have their liberties taken away from them, but will rather enjoy it, because they will be distracted from any desire to rebel by propaganda or brainwashing, or brainwashing enhanced by pharmacological methods. And this seems to be the final revolution.” Aldous Huxley, Tavistock Group, California Medical School, 1961

 

Es ist klar, dass wir Menschen im 21. Jahrhundert zunehmend mit der Technologie verschmelzen. Bereits heute weicht unser Hirn häufiger auf den Chip unserer Smartphones aus, als wir es uns eingestehen wollen. Doch wir sollten mit allen Mitteln verhindern, dass durch die Hintertür einer Pandemie irreversible Einschnitte in unsere persönliche Freiheit und den Schutz unserer Privatsphäre vorgenommen werden. Der erste Schritt in Richtung Citizen Score ist bereits passiert: Mit Einführung des Zertifikates haben wir ein neues Zeitalter eingeläutet. Eines, das Bürger aufgrund ihres Staatsgehorsams belohnt oder bestraft. Es liegt ebenso in der Verantwortung des Bürgers beim Prozess der voranschreitenden Digitalisierung für sein Mitspracherecht und seine Freiheiten einzustehen und standhaft zu bleiben. Insbesondere dann, wenn der Imperativ des Staates in Gestalt einer Spritze in seinen physischen Körper eindringen will.

Das, was wir als Normalität in Erinnerungen haben, wird nie mehr zurückkommen. Nur schon, weil wir Menschen nicht mehr die Gleichen sind. Die Spuren der Krise haben sich längst in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt und man braucht nicht Soziologie studiert zu haben, um zu wissen, dass uns die Überbrückung der Spaltung der Gesellschaft noch länger beschäftigen wird. Bei dieser Pandemie geht es weder um politisch rechts oder links, noch darum, wer Recht hat. Es geht darum, dass die Welt gerade neu genormt wird.

Noch vor zwei Jahren hätte niemand gedacht, dass die Welt still stehen könnte, wie dies im Frühjahr 2020 passiert ist. Jetzt haben wir die grosse Chance, aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit zu lernen und gestärkt aus dieser Krise herauszukommen, wenn wir es nicht versäumen, Transparenz und Selbstkritik zu üben.

Es braucht eine Rückbesinnung auf die Freiheit, die kein Zertifikat braucht. Eine Freiheit, in der kein Mensch aufgrund eines von der Regierung vorgegebenen Kriteriums diskriminiert werden darf. Es ist dieselbe Freiheit für die unsere Vorfahren in Europa eingestanden – sogar in den Krieg gezogen sind. Politisch, wirtschaftlich und medial benötigen wir einen Neuanfang, der nicht der alten „Normalität“ anhaftet, sondern den Schritt ins Neuland wagt. Dafür ist eine Aufarbeitung des Corona-Medienmärchens unabdingbar und eine unabhängige Untersuchung über die Anfänge der Pandemie, um die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

Wie oft habe ich im letzten halben Jahr befürchtet, dass George Orwell und Aldous Huxley demnächst auch als Verschwörungstheoretiker verleumdet werden, weil sie Menschen wie mich dazu inspiriert haben, kritisch zu denken. Ob ihre Bücher in Zukunft aus den Schulen verbannt werden oder ob wir es als Gesellschaft schaffen aus dem Albtraum dieses Medienmärchen aufzuwachen, hängt davon ab, ob wir endlich anfangen, die richtige Fragen zu stellen und die Antworten darauf einzufordern.

 

Hier geht es zur PDF-Version dieses Artikels: VON MEDIENMÄRCHEN UND VERSCHWÖRUNGEN

Hier geht es zur PDF-Version des BMJ-Artikels: The Covid-19 Lab Leak hypothesis by Paul D Thacker

 

 

Literaturtipps:

 

  • Medienmärchen – Gesinnungstäter im Journalismus, Burkhard Müller-Ullrich

 

  • 1984, George Orwell

 

  • Brave New World, Aldous Huxley

 

  • Amusing Ourselves to Death, Neil Postman

 

  • The Circle, Dave Eggers

 

Details:

11. Februar 2022
Categories:
journalism
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